Die Brennerbande, Teil 93


Es war bereits dunkel, als sie wieder in der 23b eintrafen, was nur so viel bedeutete, das die Gaslampen entzündet waren und dass die Schatten im dem, was die Xpochler Nebel nannten und nicht mehr auf der Straße zu sehen waren.
Soldrang schien es besser zu gehen, denn er beantwortete das Klopfen an der Tür schnell und aufrecht, selbst wenn die beiden das Gefühl hatten, dass er noch nicht zu seiner alten Geschwindigkeit zurückgefunden hatte.
Wie gewohnt führte sie ihr erster Gang in die Küche. Schon auf den Stufen hinab wurden ihre Schritte jedoch langsamer, und sie mussten an Deera denken. Fast wären sie stehen geblieben, Tiscio schritt jedoch voran, wohl mehr aus Trotz gegenüber seinen eigenen Gefühlen als aus irgendeinem anderen Grund.
Erst als sie den Raum betreten hatten, bemerkten sie den Hausherrn über sein Abendbrot gebeugt. Unterschnitt sah sie mit finsterer Mine vom Ende des Küchentisches aus an.
"Guten Abend, Herr Unterschnitt."
"Guten Abend. Nehmt euch was und setzt euch zu mir." Unterschnitts Worte klangen grimmig und die beiden Jungs hatten nicht das Gefühl, dass er ihnen eine Wahl ließ. Sie schnitten sich hastig einen Kanten Brot ab, zögerten jedoch, Wasser aus der Leitung zu nehmen. "Es ist wieder sauber", verwarf Unterschnitt ihre Sorgen und bald saßen sie mit ihm am Tisch, am anderen Ende, so weit von ihm entfernt, wie es möglich war.
"Ihr habt heute vermutlich viele Leben gerettet." Es war wohl als Lob gemeint, aber Unterschnitts Stimme ließ Zweifel daran zu.
"Was habt ihr sonst noch den Tag lang getan."
Sie blickten sich an. Beide wollten dem anderen gerne das erste Wort überlassen. Gunnar gewann indem er sich schließlich zurücklehnte und die Arme verschränkte. Er war wieder einmal auf Grund von Tiscios Ideen durch Xpoch gestolpert, dann sollte Tiscio auch dem Detektiv Rede und Antwort stehen. Dieser machte es jedoch kurz und verschwieg vor allem Vilets Segen, denn das ging Unterschnitt seiner Meinung nach nichts an.
Ihr Gastgeber stellte diesmal keine Fragen sondern schien das Ende ihrer Erzählung kaum abwarten zu können.
"Und wollt ihr wissen, was ich den Tag über getan habe? Ich habe nach Dietstedt gesucht. In bestimmten Kreisen scheint ihn jeder zu kennen, aber niemand weiß wie er aussieht oder wie man ihn finden könnte." Er holte tief Luft. "Das einzige, was ich wirklich heute erfahren habe, ist, dass die Marodeure die Separatisten unterstützen. Und ehrlich gesagt, dass wussten wir auch schon vorher." Unerwartet landete seine Hand laut auf dem Tisch. "Aber vielleicht sollte ich dankbar dafür sein, dass ich mich herumgetrieben habe und nicht vergiftet wurde." Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug.
Den Jungs schwebte ein Hauch von Alkohol entgegen und sie ahnten, dass sich der Detektiv, Schwertkämpfer und Magier weniger unter Kontrolle hatte, als ihnen recht sein konnte.
"Verdammt, ich brauche Kargerheim. Er würde die richtigen Kontakte kennen."
"Wann kommt er denn zurück?"
"Wenn die Ritter ihn freilassen. Ich weiß es nicht. Er fehlt mir auch."
Sie schwiegen eine Weile.
"Herr Unterschnitt?"
Der Hausherr blickte Gunnar an, der erst einmal schlucken musste, bevor er fortfahren konnte.
"Falls wir recht haben, ich meine, falls die [Dämonen] wirklich dahinter stecken, wer könnte und helfen?"
"Wer uns helfen könnte? Da ist niemand, der uns helfen könnte. Wir müssten es erst mal beweisen."
"Aber wer hat'n Waffen gegen die Viecher?"
"Waffen? Die Armee natürlich. Die Metrowacht. Aber die werden nichts gegen die [Dämonen] tun, wenn die nicht öffentlich rebellieren. Vielleicht die vom Neuschaffensklub, oder die Abenteurer, die ihnen nacheifern. Die Osispun vielleicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Waffen horten. Kann es ihnen nicht verübeln. Aber warum sollten sich diese ehrenwerten Leute in einen gesetzeswidrigen Kampf stürzen? Falls es wirklich die [Dämonen] sind, die hinter allem stecken, haben sie es wirklich geschickt angestellt."
Grübelnde Stille trat ein während Unterschnitt erneut einen kräftigen Schluck nahm und den Krug verärgert überkopf hielt, weil nichts mehr herauskam.
"Vielleicht könnt' dein Vater was erfinden? Die Handschuh sind doch auch groß."
"Ich bin nicht sicher, ob ich meinen Vater danach fragen kann, Tiscio. Erstens hat er immer was anders zu tun und zweitens wird er gar nicht wollen, dass ich gegen [Dämonen] kämpfe."
"Und wenn wir wen vorschicken, der ihn bezahlt?"
"Woher willst du soviel Geld nehmen?"
"Weiss nich'. War nur so ne Idee."
"Es ist schon eine Schande, dass wir ein so schlechtes Verhältnis zu unseren Nachbarn haben. Beide, Gnemiar und die [Hügelstätte] sollen hervorragende Dämonenjäger besitzen. Wenn es hart auf hart käme, wären das vermutlich die einzigen, die schnell zur Stelle sein könnten."
Aber der Gedanke, Soldaten eines befeindeten Reiches in die Stadt zu holen, war selbst in den ausgefallensten Gedankengängen der Feldstraßler nicht vorgesehen.
Trotzdem konnten die beiden Jungs den Detektiv dabei beobachten, wie er zu lächeln begann.

Die Kinder aus der Feldstrasse, 04